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Journal

Ein Bergdorf mit Weitsicht: Wie eine mutige Vision Realität wird

Der Bike Park Bellwald wurde 2005 durch leidenschaftliche Einheimische ins Leben gerufen. Seit 2020 begleiten wir unser Herzensprojekt auf verschiedenen Ebenen: Planerisch, betrieblich, kommunikativ und vor allem baulich. Mit dem Zuwachs von vier neuen Trails haben die Gästezahlen und Nutzungsfrequenzen markant zugenommen. Wir machen einen Blick zurück und zeigen in fünf Akten auf, wie aus einem Bergdorf ein Bike-Eldorado wird. 

Autoren: Philipp Bont & Severin Schindler
Fotos:  Archiv GAB, Silvano Zeiter © Switzerland Tourism

 

#1 Die Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben

Romeo Volken und einige seiner Bike-Kollegen brachen 2003 auf nach Kanada, genauer gesagt nach Whistler. Man ahnt es, um den Bike Park dort zu erkunden. Sie kamen hoch inspiriert zurück, mit vielen neuen Eindrücken und der zentralen Erkenntnis, dass auch Bellwald einen Bike Park benötigt. Trotz anfänglicher Skepsis im Dorf, konnte mit kleinem Budget und viel Freiwilligenarbeit durch den Verein «Gemeinschaft alternativer Bergradfahrer» der erste Trail  im Sommer 2005 gebaut und 2006 eröffnet werden. Heute heisst die Strecke «Dirty Cranking» und wird seit über 15 Jahren für die Austragung des iXS DH Cup Cups genutzt.

 

Die ersten Saisons waren dabei von beachtlichem Erfolg geprägt. Der beliebte Downhill-Track sprach sich schnell rum und lockte einen grossen Teil der damals allerdings noch kleinen Schweizer Downhill-Szene nach Bellwald. Obwohl die Strecke schnell als ein wichtiger Bestandteil des Sommerangebots etabliert war, zeichneten sich bald neue Herausforderungen ab. Der Unterhalt konnte mit Freiwilligenarbeit nur noch schwer bewältigt werden. Da für die Weiterentwicklung des Bike Parks zeitintensive Planungen und Bewilligungsverfahren nötig sind, war die Weiterentwicklung des Bike Parks vorläufig blockiert. Dies liess Raum für andere Entwicklungen. So entstand ein Pumptrack im Dorf und die Marathon Route “Stoneman Glaciara” wurde lanciert.

Im Hintergrund aber wurde bereits ab 2013 tatkräftig und mit Weitsicht an der Vision 2024 gewerkelt. Ziel war ein familiärer, verspielter aber abwechslungsreicher Bike Park. Dieser soll sowohl den Einstieg in den Sport ermöglichen, aber auch Fortgeschrittene und Könner:innen nach Bellwald anziehen. Konzeptionell wurde der Park insbesondere auf Allmountain und Enduro Bikes ausgerichtet, da schon damals die Mehrheit des Gravity-Marktes nicht mehr auf Downhill-Bikes unterwegs war. Somit wurde das Zielgruppen-Spektrum wesentlich vergrössert.

#2 Der Forest Bump leitet eine neue Epoche ein

Im Frühling 2020 war es dann soweit. Nach einer langen Planungs- und Genehmigungsphase von rund sieben Jahren ist die Bewilligung für die Bike Park-Erweiterung anhand vier neuer und zwei umzubauender Trails eingetroffen. Die neue Hauptschlagader bildet dabei ein anfängerfreundlicher Trail. Er ist zugleich Trail Nummer zwei in der in der Firmengeschichte von Vast. 

 

 

Für uns war klar, hier soll kein konventioneller Flow Trail entstehen, sondern ein Trail mit Flow. Das Konstrukt Flow Trail wurde im Tourismus-Kontext schnell zum heiligen Gral der Mountainbike-Infrastruktur. Scheinbar unterhaltsarm, sicher, anfänger- und massentauglich und notabene kassenfüllend. Die Mountainbike-Szene war zu Beginn ebenfalls fasziniert davon, dass Mensch einen Trail einfach so geniessen und durchrollen kann. Und dies alles ohne grossen Bremseinsatz, ohne grosses Studium der Ideallinie und ohne ans Limit gehen zu müssen. Aber genau das machte den Flow Trail aber auch bald verpönt: zu banal, zu einfach und zu monoton; von langweiligen “Chügelibahnen” war abschätzig die Rede. Zunehmend kam die Erkenntnis auf, dass ein vermeintlich perfekter Trail eben gerade nicht perfekt ist, weil er so perfekt ist.

Uns fiel in diesem ganzen Diskurs auf, dass bei all diesen Anforderungen ein zentraler Punkt immer mehr in den Hintergrund rückte oder mancherorts gar ganz vergessen ging: Der Fahrspass – kein Nice to Have, sondern das zentrale Kriterium. Ohne dass dabei andere wichtige Anforderungen wie Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Integration ausser Acht gelassen werden dürfen. Tables und steile Anlieger mit viel Support lassen sich auch als Anfänger:in bewältigen oder wollen so schnell wie möglich erlernt werden. Für schwierigere Elemente gibt es auch noch die Möglichkeit einer B-Line oder von optionalen Side Hits. Aber all diesen unterschiedlichen Aspekten gerecht zu werden, verlangt ein hohes Sportart- und Designverständnis und natürlich eine geballte Ladung Baukompetenz. Bei der Eröffnung im Juli 2021 wurde uns schnell klar, dass unsere Interpretation des Flow Trails den Nerv der Zeit getroffen hat! 

#3 Die planerische Saat wird geerntet

Der Forest Bump Trail war jedoch erst der Anfang. In den Jahren 2021 bis 2024 wird die Vision 2024 Trail um Trail umgesetzt. Jedoch musste der Bike Park-Betrieb 2022 bereits wieder eingestellt werden. Die in die Jahre gekommene 2er-Sesselbahn wurde durch eine moderne 6er-Sesselbahn ersetzt – höhere Förderkapazität und mehr Zuverlässigkeit der Gewinn. Folgende Meilensteine lassen sich in der Bike Park-Entwicklung chronologisch festhalten: 

  • 2020-21: Neubau Forest Bump, niederschwelliger Flow Trail mit Luft nach oben
  • 2021: Umbau bestehende blaue Strecke zum Play Trail Sliderman, verspielte Line mit grösseren Jumps im oberen Schwiergkeitsgrad
  • 2021-22: Neubau naturnaher Single Trail Into the Wild im mittleren Schwierigkeitsgrad
  • 2022-23: Neubau Mix Trail Vast & Furious und zugleich Erschliessung der zweiten Sektion (2070 – 2560 m.ü.M.)
  • 2023-24: Neubau Enduro Trail Lord of the Rims; ebenfalls in der zweiten Sektion
  • 2024: Connector zwischen Lord of the Rims und Vast & Furious
  • 2024-25: Umbau des bestehenden Downhill Track Dirty Cranking

Die Trail Namen selbst orientieren sich an bekannten Filmen, wobei der Filmtitel passend zum jeweiligen Trail-Charakter leicht modifiziert wird. In der logischen Konsequenz wird Bellwald somit zu Bellwood. Insbesondere die Erschliessung der zweiten Sektion hob den Bike Park in neue landschaftliche Dimensionen, denn ein solch atemberaubendes Panorama gibt es wahrlich nicht überall. 

#4 Erfolgspfeiler werden zur Lebensgrundlage 

Für das kleine Bergdorf Bellwald mit seinen 340 Einwohner:innen ist es eminent wichtig, junge Menschen im Dorf halten und eine Perspektive bieten zu können. Der Bike Park leistet bereits jetzt einen wesentlichen Beitrag dazu, in dem er eine attraktive Ausstrahlung der Gemeinde steigert, einen Ort der Begegnung zwischen Einheimischen und Gästen schafft, die touristischen Betriebe besser auslastet, mehr Gäste und Jobs generiert und somit für das Dorf eine solide Lebensgrundlage ermöglicht, in gesellschaftlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Dies wird anhand der Multimedia-Produktion von Schweiz Tourismus, welche den Bike Park Bellwald sowie die lokale Szene portraitiert, eindrücklich veranschaulicht. 

 

Die Infrastruktur ist das eine, dessen Bespielung mit der Community und den dazugehörigen Events das andere. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Mountainbike-Destination nur mit starker lokaler Community funktionieren kann, denn sie pflegt und trägt die Kultur nach innen und nach aussen. Steht die lokale Bevölkerung nicht hinter dem Bike-Projekt, wird es mit grösster Sicherheit nie Realität werden. Hier sind Events wie der iXS DH Cup, die Rodeo Locals Tour und Anfänger-freundliche Trails wichtige Eintrittstore. Denn sie bringen die Bevölkerung dem Mountainbike-Sport näher. Insbesondere für Entscheidungsträger ist es wichtig, den Sport selbst auszuüben und zu verstehen, um sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Nebst dem Bau von Trails ist deren Betrieb und Unterhalt aber genau so wichtig. Ab 2021 fingen wir an, Einheimische in den Bau miteinzubeziehen (1 Saisonstelle) und konnten so die Bike Park-Unterhaltscrew laufend aufbauen. Der Know How-Transfer floss so über mehrere Jahre in lokale Hände. Aktuell kümmern sich 2-3 Locals um die saisonalen Reshapes und den laufenden Unterhalt.

Diese Investitionen werden in der Gäste-Statistik deutlich bemerkbar. Die Steigerung der Gästezahlen zwischen 2020 (letztes Jahr vor der neuen Epoche) und 2023 (Erweiterung auf 4 neue Trails) betrug 917%, die Nutzungsfrequenzen konnten um 842% gesteigert werden. Im Jahr 2023 resultierte in den etwas mehr als vier Betriebsmonaten ein Total von rund 66’000 Liftfahrten nur durch Mountainbikende. Nebst den Bergbahnen profitieren auch die Bikeschule, die Bikevermietung, der Bike Shop sowie Gastronomie und Unterkünfte direkt vom Bike Park.

#5 Ein Blick in die Zukunft …

Unabhängig vom Bike Park steht in der Gemeinde Bellwald noch ein anderes Jahrhundert-Projekt an: Eine direkte Erschliessung per Gondelbahn vom ÖV-Hub Fiesch nach Bellwald. Damit wird nicht nur die Anreise per ÖV schneller und einfacher (von Bern in den Bike Park in 2h), sondern die beiden Destinationen Aletsch Arena und Bellwald rücken enger zusammen. Dieses Zusammenspiel der beiden Destinationen wird bereits heute anlässlich des Enduro Weltcup 2024 und der Enduro WM 2025 spürbar, welche sie gemeinsam austragen. Nebst der Bahnerschliessung wird auch bereits die Trail-Erschliessung von Bellwald nach Fiesch geplant. Der Bike Park wird so quasi um eine dritte Sektion erweitert. Durch diese Entwicklungen wird das Potential, eine Bike-Destination mit internationaler Ausstrahlungskraft zu werden, ermöglicht.

Was zu Beginn kaum vorstellbar war, hat nun eine kleine Destination wie Bellwald fast geschafft. Die ambitionierte Vision 2024 biegt in die Zielgerade ein. Diese Geschichte startete und endet mit dem Zitat von Eleanor Roosevelt (US-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Diplomatin) – «Die Zukunft gehört denen, welche an die Schönheit ihrer Träume glauben». In Bellwald wurden die Träume der Initianten und der Projektbeteiligten zur Wirklichkeit, weil sie daran geglaubt und mit Hartnäckigkeit daran gearbeitet haben. Was jedoch nicht heisst, das nicht weiter geträumt werden darf. Erste Ideen für die Vision 2034 wurden bereits skizziert ….