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Ein Kurven-Eldorado muss nicht langweilig sein!
Anhand des Forest Bump Trails im Bike Park Bellwald machen wir einen kleinen Exkurs in die Raumplanung und das Waldrecht. Häufig werden in Tourismusgebieten die Trails unterhalb der Baumgrenze in nicht-bewaldete Flächen gezwängt. Wieso ist das so? Wie lassen sich planerisch und baulich trotzdem gute Lösungen entwickeln? Und wieso es sich manchmal trotzdem lohnt, hartnäckig zu bleiben …
Autor: Severin Schindler
Fotos: Philipp Bont, Fabrice Burgener, Thomas Stöckli, Cédric Baumer, Romanée Nieuwland
Standortgebundenheit what?
Standortgebunden ist ein Bau-Vorhaben im raumplanerischen Sinne immer dann, wenn es aus objektiven Gründen auf den Standort – sei es ausserhalb der Bauzone, sei es im Wald – angewiesen ist. Finanzielle oder subjektive Gründe dürfen nicht ausschlaggebend sein. Gibt es im Planungsperimeter unbestockte Bereiche (dies sind meistens gerodete Flächen wie bewirtschaftete Weiden, Skipisten oder Lift-Schneisen), sind diese gegenüber dem Wald vorzuziehen, wenn denn baulich eine Linienführung möglich ist und keine überwiegenden Interessen dagegen sprechen (z.B. ein Flachmoor, Bewirtschaftung, etc.).
Bitte nicht im Wald!
Dies war auch beim Forest Bump Trail der Fall. Der Trail konnte nur selten mit langen Geraden durch den Wald geführt werden. In der zweiten Trail-Hälfte muss ein Höhenunterschied von rund 140m – also mehr als ⅓ der ganzen Höhendifferenz – über 25 nacheinander folgende Anliegerkurven in der gerodeten Schneise der 6er-Sesselbahn überwunden werden. Anliegerkurven bedeuten jedoch wesentlich höheren baulichen Aufwand. Je steiler die situative seitliche Hangneigung, desto mehr Erdverschiebung braucht es. Während die erste Hälfte der Kurve bergseitig in das bestehende Terrain gebaut wird, muss die zweite talseitig aufgeschüttet und verdichtet werden. Dabei können talseitig bis 3m hohe Böschungen entstehen. Der Trail wird so in der Frontalansicht im Landschaftsbild deutlich sichtbarer. Eine sorgfältige Begrünung der Böschungen ist daher umso wichtiger, um den Trail bestmöglich in die Topografie zu integrieren und Erosion zu vermeiden.
Ein langweiliges Kurven-Eldorado?
Mitnichten! Herausfordernde Rahmenbedingungen fordern und zwingen die Trail-Bauer das Sinnvollste aus einer kompakten Linienführung auszuschöpfen. Die knifflige Frage ist, wie macht man eine scheinbar langweilige Murmelbahn spannend? Zwei Punkte sind zentral:
- Eine abwechslungsreiche und stimmige Gestaltung von Kurven und Geraden: Jede Straight ist anders und kann mit verschiedenen Zutaten wie Rollers, Scrub Waves, Side Hits tal- wie bergseitig, leichten Richtungswechseln, Steinformationen oder Sprüngen unterschiedlich variiert werden. Bei Richtungswechseln von 180° implementieren wir abwechslungsreiche, kreative und situationsgerechte Shapes, welche für tolle Feelings in den Kurven sorgen.
- Der Speed in den Geraden muss mit den Kurven abgestimmt werden. Zu starke Neigung kann zu Brake Bumps führen. Die Eintrittsgeschwindigkeit wird so angelegt, dass in der Kurve nicht gebremst werden muss, aber auch genug Schuss für die nächstfolgende Gerade und deren Features aufgenommen werden kann.
Idealerweise läutet so jede 180°-Kurve ein neues Mini-Erlebnis in eine Gerade ein. Diese Mini-Erlebnisse fügen sich schlussendlich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen.
Vor- und Nachteile
In der Gesamtbetrachtung kann die kompakte Korridorplanung ausserhalb des Waldes durchaus Vorteile haben. Sie bringt aber, wie vieles auf dieser Welt, auch eine Bandbreite an Nachteilen mit sich:
Vorteile:
- Chance für kreatives Trail Design – die Not zur Tugend machen
- wenn unter dem Lift-Trasse: vom Lift aus zuschauen und anfeuern (soziale Komponente)
- weniger Zerschneidung von Lebensraum durch überlagerte Nutzung oder Werkskonzentration
- weniger Einschränkung in der Waldbewirtschaftung
Nachteile:
- höhere Baukosten
- sichtbarer Eingriff in die Landschaft
- hoher Unterhaltsaufwand durch die vielen Kurven
- Trail wird nicht durch den Wald geschützt (Trockenheit sowie Starkniederschlag)
- wenn auf Skipiste: keine grosse Terrainverschiebungen möglich (Pistenfahrzeug-Kompatibilität)
- Linienführung kann dadurch je nach dem zu steil ausfallen (nicht nachhaltig)
Logischerweise sind die hier aufgeführten Nachteile dann oft auch Argumente, den Trail im Wald (z.B. Integration in die Landschaft, Schutz durch Witterung, etc.) anzulegen. Aus unserer Sicht überwiegen die Nachteile für den Standort ausserhalb des Waldes meistens. Die grosse Kunst ist es aber, auch mit diesen Rahmenbedingungen zurechtzukommen. Dies aber auch nur bis zu einem gewissen Grad …
Hartnäckiges Weichenstellen in der Planung
Die Standortgebundenheit im Wald ist im Mittelland, wo Mountainbiken hauptsächlich auch stattfindet, weniger schwierig zu argumentieren als in höher gelegenen touristischen Gebieten. In diesem Zusammenhang sind stets auch die Waldfunktionen (vgl. Bundesgesetz über den Wald, Art. 1), welche in Waldplänen oftmals als Flächen festgelegt werden, ein entscheidender raumplanerischer Faktor. Die vier Waldfunktionen sind: Erholung, Produktion, Schutz und Lebensraum. Während Flächen mit der “Funktion Erholung” raumplanerisch für Mountainbike-Trails gute Voraussetzungen mit sich bringen, sind insbesondere die beiden Funktionen Schutzwald und Lebensraum in höheren Lagen limitierende Faktoren und stehen oftmals auch in einem direkten Zusammenhang (z.B. Schutzwald und Wildverbiss). Nichtsdestotrotz ist eine ausschliessliche Linienführung ausserhalb des Waldes aufgrund verschiedener Schutz- und Nutzinteressen selten eine gute Idee. Es braucht von allen Stakeholdern ein abgewogenes Entgegenkommen, um schlussendlich eine funktionierende Linienführung im Sinne von Lenkung und Attraktivität gemeinsam festlegen zu können.
Ein Beispiel, bei dem wir eine gute Lösung ausarbeiten konnten, ist der beliebte Waldabschnitt im zweiten Teil des Into the Wild Trails. Anstatt länger flach der Skipiste zu folgen, um dann die Höhe über einen steilen Abschnitt abzubauen, wurde eine ehemaliges Wegtrasse mit regelmässigen Gefälle im Wald reaktiviert. Und siehe da, dieser Abschnitt ist eines der Highlights des Bike Parks Bellwald!